MAINZ und Köln – Die VRM in Mainz und die Kölner Lingen-Stiftung vergeben zum zweiten Mal den Gutenberg-Recherchepreis U35.
Mit dem mit 7000 Euro dotierten ersten Preis wurde Franziska Klemenz für ihre Reportage „Und dann kippt es plötzlich“ (Sächsische Zeitung, 23.1.2021) ausgezeichnet. Wie eine Kriegsberichterstatterin beschreibt die Reporterin der Sächsischen Zeitung das verzweifelte Retten und Sterben auf der Intensivstation des Dresdner Universitätsklinikums in der Hochphase der Corona-Pandemie. Die Autorin nutzt das Vertrauen, das sie während ihrer Recherchen bei Pflegern und Ärzten aufgebaut hat, für einen präzisen Blick auf eine fortwährende Grenzsituation, ohne moralisierend oder pathetisch zu werden. Franziska Klemenz ist mit ihrer Reportage ein zeitgeschichtliches Dokument für eine der größten Katastrophen der Gegenwart gelungen.
https://www.saechsische.de/coronavirus/helden-auf-intensiv-wir-sind-es-die-am-ende-am-bett-stehen-5363793.html
Katrin Langhans, Reporterin bei Ippen Investigativ, hat sich mit „Riskante Dosis“ (Buzzfeed, 16.12.2020) den zweiten Preis gesichert, der mit 5000 Euro dotiert ist. Gemeinsam mit ihren beiden Co-Rechercheurinnen Eva Achinger und Ann-Kathrin Wetter (Bayerischer Rundfunk) hat Langhans einen Medizin-Skandal aufgedeckt, bei dem Ärzte in der Geburtshilfe die Unversehrtheit von Kindern aus Sorglosigkeit aufs Spiel gesetzt haben, die in einer Reihe von Fällen auch beschädigt wurde. Der Einsatz des Medikamentes Cytotec war nie für die Geburtshilfe vorgesehen, wurde dafür aber bundesweit vielfach eingesetzt – mit schweren Hirn- und Folgeschäden für eine Reihe von Opfern. Eine Investigativ-Recherche, mit der Leben gerettet wurde.
https://www.buzzfeed.de/recherchen/riskante-dosis-90134031.html
Für seine Recherchen zu „So gefährlich sind die Würzburger Corona-Leugner“ (Main-Post, 8.2.2021) wurde Aaron Niemeyer der mit 3000 Euro dotierte dritte Preis zuerkannt. Der Autor legte offen, dass sich in den geschlossenen Chat-Kanälen des Würzburger Ablegers von „Eltern stehen auf“ Holocaust-Leugner, Reichsbürger und AfD-Anhänger tummelten. Im Zuge der Recherchen sah sich der Würzburger Landrat gezwungen, von anfänglichen Umarmungsversuchen Abstand zu nehmen. Ein Großteil der Mitglieder kehrte der Gruppen den Rücken. Ein journalistischer Wirkungstreffer in Hochzeiten von Verschwörungsmythen.
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/eltern-stehen-auf-so-gefaehrlich-sind-wuerzburger-corona-leugner-art-10561668
Eine würdigende Anerkennung sprach die Jury dem Volontärsprojekt der Mittelbayerischen Zeitung aus. Mit „So steht es um die Bahn in Ostbayern“ ging der 13-köpfige Volontärjahrgang seinem selbst gewählten Thema mit einer umfassenden Artikelreihe auf den Grund. Dabei beteiligten die Volontärinnen und Volontäre die Leser und Bahnkunden und deckten Schwachstellen und falsche Versprechungen der Anbieter im Schienenverkehr auf. Das Projekt belegt auf nachahmenswerte Weise, wie sich Volontärsprojekte gewissenhafter Recherche verschreiben können.
https://www.mittelbayerische.de/bayern-nachrichten/so-steht-es-um-die-bahn-in-ostbayern-21705-art1964170.html
Adressaten des Gutenberg-Recherchepreis U35 sind Nachwuchstalente von Lokal- oder Regionalzeitungen sowie von journalistisch unabhängigen Onlinemedien im Alter bis zu 35 Jahren. Am 14. Oktober werden die diesjährigen Gewinner des Wettbewerbs im Rahmen einer Preisverleihung in Mainz persönlich geehrt. Der Preis soll junge Talente ermuntern, auch in schnellen und meinungsoffensiven Zeiten hartnäckige Recherche zu pflegen. Er versteht sich zugleich als Aufforderung an Verlags- und Redaktionsleitungen, aufwändige Recherchen möglich zu machen.
Friedrich Roeingh, Vorsitzender der Jury und Chefredakteur Allgemeine Zeitung/VRM, zeigte sich beeindruckt: „Die exzellenten Arbeiten unserer Preisträger zeigen, wie wichtig es in Zeiten von Fake-News und Verschwörungsmythen ist, sich der Beschreibung der Wirklichkeit durch aufwändige Recherchen anzunähern.“
Die Auswahl der Preisträger übernahm eine fünfköpfige Jury bestehend aus Friedrich Roeingh, Chefredakteur Allgemeine Zeitung, VRM (Vorsitz); Annette Binninger, Mitglied der Chefredaktion der Sächsischen Zeitung; Anke Vehmeier, Leiterin Lokaljournalistenprogramm der Bundeszentrale
für politische Bildung; Franz Sommerfeld, ehem. Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers
und Werner Schulte, Geschäftsführer des Lingen Verlages. Im Jahr 2022 wird der Preis erneut an junge Recherche-Talente von regionalen Print- oder Onlinemedien verliehen. Die Bewerbungsfrist endet im kommenden Jahr am 16.05.2022.
www.gutenberg-recherchepreis.de
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